Im Hochschwarzwald war in meiner Kindheit die Meinung weit verbreitet, dass badische Soldaten Cego aus Spanien mitgebracht haben. Im ersten Moment scheint diese Theorie abwegig, da es in Spanien die für Cego typischen Karten nie gab. Die Cego-Karten ähneln mehr den Tarock- oder Tarotkarten, die in Italien, Frankreich, Dänemark, Österreich und über den Balkan bis nach Russland verbreitet waren.
Um die Entstehung des Spiels zu verstehen, muss man ein wenig ausholen.
Das Tarockspiel (zu denen auch das Cego gehört) kam in weiten Teilen Deutschlands und der Habsburger Monarchie ab 1750 in Mode Auch Goethe war ein leidenschaftlicher Tarockspieler. Wir gehen momentan davon aus, dass die Badener vor der "Erfindung" des Cego Anfang des 19. Jahrhunderts bereits Tarockvarianten spielten, die dem "Dappen" und dem "Dreierles" ähnlich waren. Diese zwei Spiele werden heute noch vereinzelt im Südschwarzwald und in Nordbaden gespielt. Die Regeln dieser Spiele haben die größten Ähnlichkeiten mit den Schweizer Spielen "Troggu" und "Tappä" aus dem Wallis und dem "Le Tape" aus dem Kanton Fribourg. Danke an Ulf Martin, John McLeod und Paul Eaton für diese wichtigen und grundlegenden Erkenntnisse.
Wie aber kamen die Spiele aus der Schweiz nach Südbaden? Brachten es Schweizer Studenten mit, die Ende des 18. Jahrhunderts in Freiburg studierten? Kam es bereits im Zuge der Migrationswelle nach dem Dreißigjährigen Krieg in der 2. Hälfte des 17. Jahrhunderts nach Baden? Ganz ausgeschlossen ist auch nicht, dass es den Weg irgendwie aus der Schweiz über Österreich in die alten Vorderösterreichischen Gebiete im heutigen Baden fand. Ob diese Fragen jemals geklärt werden können, ist fraglich. Sicher ist jedoch, dass die Spielkartenforscher mit Ihrer Fachkenntnis über Europäische Tarockregeln diese interessante Fragen aufgeworfen haben!
Die ersten Tarockkarten in unserer Region wurden um 1690 in Straßburg produziert. Andere Kartenmacher die bereits früher Tarockkarten herstellten sind bislang weder für unsere Region noch für die Schweiz nachgewiesen. Danke Thierry Depauli!
Aber wie entstand nun Cego?
Als Napoleon 1808 gegen Spanien kämpfte, hatte er Unterstützung vom Badischen Großherzog, der ihm Soldaten zu Verfügung stellte. Die Badener waren damals wie gesagt noch leidenschaftliche Tarockspieler, daher nahmen Sie ihre Karten in den Spanienkrieg mit. Wahrscheinlich vor allem die höheren Mannschaftsgrade, die aus dem Bürgertum und aus dem Adel kamen. Die Schwarzwälder hatten damals schon mit 54 Karrten gespielt und nicht wie die Franzosen mit 78.
Auf dem Spanienfeldzug lernten die Badener ein spanisches Kartenspiel mit Namen "Cascarela" kennen ein Spiel aus der Familie der "L´Hombre"-Spiele . Dies war Anfang des 19. Jahrhunderts in Spanien sehr populär. Eigenart dieses Spieles war es, mit unbekannten Karten zu spielen, die man im Laufe des Spieles vom Tisch aufnahm. Man spielte also blind. Eine Spielform, die in diesem Ausmaße beim Tarock unbekannt war. Auf Spanisch heißt blind "ciego", und auf Portugiesisch "cego" . Die Schwarzwälder versuchten nun diese Spiele mit den Tarockkarten zu spielen. Und... es hat geklappt! Sie hatten während Ihrer Kriegsgefangenschafft wohl ausreichend Zeit, die Regeln auf die Tarockkarten umzumünzen.
Francesco Antelminelli war ein italienischer Adliger und lebte von 1360 bis 1419. Er gilt als einer der Urväter des Tarock und damit auch des Cego-Spiels. In dieser Zeit wurden die durchnummerierten Trümpfe eingeführt.
Bereits sehr früh (um 1500) gelangte das Tarock in die Schweiz und nach Frankreich (um 1550). Das älteste belegte französische Kartenblatt stammen aus dem Jahr 1557 und wurde in Lyon gedruckt. Es handelte sich um ein "Tarot de Marseille", das heute in einigen Gegenden noch verbreitet ist und das dem italienischen Tarockkarten ähnelten. Es hatte damals noch nicht die heute üblichen Farben Herz, Pik, Kreuz und Karo, sondern Münzen, Kelche, Schwerter und Stäbe. Bis Mitte des 18. Jahrhunderts waren diese auch in Deutschland die üblichen Karten. Erst gegen 1760 wurden sie langsam durch Herz, Pik, Kreuz und Karo abgelöst abgelöst. Noch heute wird in Teilen der Schweiz in Italien und in wenigen Teilen Frankreichs mit den ursprünglichen Farben gespielt. Danke Thierry Depaulis für diese Informationen
Das Tarot de Marseille wird seit 1780 häufig in der Wahrsagerei genutzt. Wer die Möglichkeit hat mit einem solchen Kartenspiel Cego zu spielen, erfährt ein vollkommen neues Spielerlebnis;-) Die wichtigste Erkenntnis dabei ist:
Mit Tarot-Karten kann man unzuverlässig in die Zukunft sehen aber zuverlässig in der Gegenwart Cego spielen!
Aus dieser Zeit stammt auch noch die Regel, dass bei den roten Farben (Kelche und Münzen) die Kleinen die Großen stechen und bei den Schwarzen (Stäbe und Schwerter) die Großen die Kleinen.
In Baden gibt es wie oben erwähnt noch das Dreierles und das Dappen, aus denen sich das Cego mit hoher Wahrscheinlichkeit heraus entwickelt hat.
Michael Dummet, John McLeod und Ulf Martin haben viele Tarockspiele beschrieben und miteinander verglichen.
Die Fachleute gehen davon aus, dass die beiden Spiele zu den so genannten Tapptarocken gehören. In diese Familie gehört auch Le Tape aus dem Schweizer Kanton Fribourg, Troggu und Dappä aus dem Kanton Wallis und Doppen aus Österreich. Im Buch A History of Games played with Tarock Pack . Die Spiele sind im Kapitel "Tapptarock" beschrieben.
Wann und von wo nach wo sich die Spiele genau verbreitetet haben, ist wie bereits erwähnt noch nicht abschließend geklärt.
Danke Ulf Martin aus Berlin, der mich auf diese Zusammenhänge aufmerksam gemacht hat.
Eine Zusammenfassung über unterschiedliche
Tarockspiele in Europa (in Englisch). Für Dreierles- und Dappenspieler interessant,
sind die Kapitel 15.17 Doppen und 15.23 Le Tape.
Die Dreierles-Regeln wurden von Ulf Martin
in www.pagat.com veröffentlicht.
Hier die Dappenregeln wie es in
Breitnau, Buchenbach und Furtwangen gespielt wird.
Ein Tarot de Marseille gedruckt kurz vor 1800 von der Firma Krebs in Freiburg. Es ist meines Wissens das erste Tarockblatt, das in Freiburg hergestellt wurde. Wenn man davon ausgeht, dass das "Urtarock" in den Schwarzwald aus der Schweiz kam, ist es nachvollziehbar, dass die ersten "Cegokarten " so aussahen, denn auch die Schweizer haben damals mit diesen Karten gespielt. (Nachdruck aus 1984 von Piatnik) Sammlung Laber
Ob die badischen Soldaten bereits mit einem französischen Blatt spielten mit Herz, Karo, Pik und Kreuz oder noch mit Italienischen Kartenblättern mit Münzen, Kelchen, Schwertern und Stäben ist schwierig zu beantworten. Bei dem hier dargestellten handelt sich um eine Tarotkarte die in Mannheim um 1778 wohl für den französischen Markt hergestellt wurde. Dieses Kartenblatt gehört zur Familie der Tiertarockkarten. Sozusagen der direkte Vorfahre unseres Cegoblattes mit den roten Trümpfen. Sammlung unbekannt
Die erste heute bekannte Cego-Regel die in Feudenheim am Neckar am 7. Dezember 1859 im Gasthaus zur Jägerlust publiziert wurde, ist die erste niedergeschriebenen Regel. Es lohnt in einem ruhigen Moment sich in die Regeln mal reinzulesen. Ein spannendes Sittengemälde der damaligen Zeit! (Danke für das Bild Rita Willmann, Löffingen)
Schwarzer, Sebaldus schrieb zuvor bereits im Jahr 1845 folgendes Buch, dessen Inhalt momentan leider im Netz nicht zu Verfügung steht:
Danke Paul Eaton für diesen Hinweis!
Bis weit in die 1930er Jahre war Cego im ganzen badischen Raum noch weit verbreitet, wie die Karte eindrücklich belegt.
Sie stammt aus der Veröffentlichung "Das badische Nationalspiel "Zego" und die anderen in Baden und an Badens Grenze volksüblichen Kartenspiele" (Schlager, 1952). Die einzigen Orte in den in den 30er Jahren außerhalb Baden und Hohenzollern Cego gespielt wurde, waren Schramberg (1), Mariazell (2), Dunningen (3), Oberflacht (4), Neuhausen (5) und Frittlingen (6). Auf dieser Karte ist eine Ortschaft angegeben, in der Cego "mit Leidenschaft" gespielt wurde. Bei dieser Ortschaft handelte es sich um Pfullingen.
Die Quelle für diese Karte ist "Der Atlas für deutsche Volkskunde".
Cego hat den 1. Weltkrieg gut überstanden. Es gab damals noch badische Bataillone. Dort wurde Cego gespielt. Im 2. Weltkrieg setzte sich dann Skat durch, da die Badener zusammen mit anderen Landsmannschaften kämpfen mussten und sie wohl ihre norddeutschen Kameraden nicht überzeugen konnten, Cego zu spielen. Deshalb sind auf Landkarte vor allem in Nordbaden inzwischen die meisten der schwarzen Punkte wieder verschwunden.
Dem Cegospiel gilt früh bis spat ein kräftiges: "Vivat, cresceat, floreat"
(Möge es leben, möge es wachsen, möge es gedeihen)
Sammlung unbekannt
"Zigo! Du himmlisch edeles Vergnügen!
Erlauchter Spiele Königin!
Du kannst Verdruss und herben Schmerz besiegen,
Dein Reiz ergötzet Herz und Sinn.
Ja feierlich schalle der Jubelgesang
Fröhlicher Brüder bei Becher Klang.
Dem Bürger winken laut´re Abendsterne,
Er legt die Grillen auf die Seit´,
Er geht, auf dass er stets nur achten lerne
Des Lebens Ziel - die Einigkeit.
Ja feierlich schalle der Jubelgesang
Friedlicher Spieler bei Becher Klang.
Man gönne jedem sonst auch sein Vergnügen,
Das nach der Arbeit er sich wählt.
Zigo muss alles weitaus überwiegen,
Was selbst zur Jägerlust man zählt
Ja feierlich schalle der Jubelgesang
Friedlicher Spieler bei Becher Klang.
Hier fürchtet nicht den Hass verruchter Feinde!
Wer hat auch allen recht getan?
Behält man sich nur so viel wack´re Freunde,
Dass man noch Zigo spielen kann.
Ja feierlich schalle der Jubelgesang
Friedlicher Spieler bei Becher Klang.
Ist einer unter uns einmal gefallen,
Vom stolzen Skis getroffen schön,
So tönt ein Lied, wie üblich ist bei allen,
Die in der Grabes Klüfte geh´n.
Ja feierlich schalle der Jubelgesang
Friedlicher Spieler bei Becher Klang.
Die "Ode an das Zigo- Taroc-Spiel" ist in den Cegoregeln von 1860 veröffentlicht. Sie ist nach folgender Melodie zu singen. Herzlichen Dank für diese wunderschöne Gitarrenversion an Polakenhammer!
Gerold Blümle aus Schopfheim, der beste Cego-Kenner im Schwarzwald veröffentlichte um 2010 die zentrale Arbeit über das badische Nationalspiel Cego. Auf seiner Arbeit basieren die meisten Informationen auf dieser Seite. Ergänzt wird seine Arbeit zwischenzeitlich durch die Erkenntnisse von John McLeod, Ulf Martin und Paul Eaton.